17. Mai: Internationaler Aktionstag gegen hom*o-, Bi-, Inter- und Transphobie (2024)

Am 17. Mai, dem Internationalen Aktionstag gegen hom*o-, Bi-, Inter- und Transphobie (engl. International Day against hom*ophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia, kurz: IDAHOBIT), wird weltweit auf die noch immer nicht vollständig überwundene Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufmerksam gemacht, deren sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht der heterosexuell geprägten Norm entspricht.

Geschichte des Aktionstags

Das Datum des Aktionstages soll an den 17. Mai 1990 erinnern – jenen Tag, an dem die Interner Link: Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch die Streichung aus dem Diagnoseschlüssel ICD-10 von der Vorstellung abrückte, dass hom*osexualität eine Krankheit sei. Erstmals fand der Aktionstag im Jahr 2005 als „Internationaler Tag gegen hom*ophobie“ statt. Seither wurde der Name mehrfach erweitert und schließt nun ausdrücklich auch Bisexuelle und Intergeschlechtliche sowie trans*Personen ein.

Definitionen

Menschen haben seit jeher unterschiedliche sexuelle Orientierungen: Gut vier bis zehn Prozent der Bevölkerung sind Umfragen und Schätzungen zufolge hom*osexuell. Sie fühlen sich zu Personen des gleichen Geschlechts sexuell hingezogen.

Als bisexuell bezeichnet man Menschen, die sexuell sowohl dem im binären Geschlechterspektrum anderen als auch dem eigenen Geschlecht gegenüber offen sind.

Intergeschlechtliche Menschen oder inter*Personen haben nach Definition der Antidiskriminierungsstelle des Bundes „Merkmale von männlichen und weiblichen Körpern“. Ihr geschlechtliches Erscheinungsbild werde „daher häufig als eine Mischung der Geschlechter wahrgenommen“.

Als trans*Personen bezeichnet man Menschen, die sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde.

Queer ist ein Sammelbegriff für Menschen, deren geschlechtliche Identität und/oder sexuelle Orientierung nicht der heterosexuell geprägten Norm entspricht.

hom*o-, Bi-, Inter- und Transphobie bezeichnet die Ablehnung und Abwertung von hom*o- und Bisexualität bzw. Inter- oder Transgeschlechtlichkeit. Der Begriff bzw. Anhang "-phobie“ wird jedoch von einigen Akteurinnen und Akteuren als veraltet, überholt oder unangemessen kritisiert.

Rechtliche Situation queerer Menschen in Deutschland bis 2001

Lange Zeit war hom*osexualität in Deutschland strafbar. 1871 wurde im gerade gegründeten Kaiserreich der Paragraf 175 im Reichsstrafgesetzbuch eingeführt. Sogenannte „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern war demnach ab Januar 1872 mit einer Haftstrafe zu ahnden. Bis zum Ende des Interner Link: Kaiserreichs 1918 hatte dies die Verurteilung von knapp 10.000 Männern zur Folge.

In der Interner Link: Weimarer Republik bestand der Paragraf fort und wurde 1935 von den Interner Link: Nationalsozialisten noch verschärft: Allein der bloße Verdacht konnte fortan mit zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass während des Nationalsozialismus rund 50.000 Männer aufgrund des Paragrafen 175 inhaftiert und Tausende in Lagern ermordet wurden.

In der Bundesrepublik blieb die diskriminierende Regelung bestehen. Noch 1957 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Strafbarkeit männlicher hom*osexualität für mit dem Grundgesetz vereinbar. Erst 1969 beschloss der Bundestag, einvernehmliche hom*osexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern über 21 Jahren straflos zu stellen. Interner Link: Es dauerte jedoch bis 1994, bis der Paragraf 175 ganz abgeschafft und das Mindestalter für sexuelle Handlungen für hom*osexuelle Männer dem für heterosexuelle Kontakte gleichgestellt wurde.

Die DDR hatte die strenge Auslegung des Paragrafen 175 im Jahr 1957 ausgesetzt. Fortan wurden hom*osexuelle Handlungen zwischen Männern kaum noch bestraft. 1968 wurde der Paragraf mit der Einführung des neuen Strafgesetzbuchs der DDR gestrichen, allerdings eine Sonderregelung zur Strafbarkeit von hom*osexuellen Handlungen an Jugendlichen aufgenommen. Letztere wurde 1988 aufgehoben.

Rechtliche Situation queerer Menschen in Deutschland seit 2001

Im Jahr 2001 trat das sogenannte Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. Gleichgeschlechtliche Paare durften fortan eine rechtlich anerkannte Verbindung miteinander eingehen. Diese „eingetragene Lebenspartnerschaft“ erhielt, bis auf das Recht zur Adoption, nach und nach die gleichen Rechte wie die Ehe. Interner Link: Im Juni 2017 wurde schließlich die „Ehe für alle“ eingeführt. Seither haben hom*osexuelle tatsächlich die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare - einschließlich des Rechts, Kinder zu adoptieren.

Als weiteren Schritt für die Gleichstellung aller Geschlechter hat der Bundestag Mitte April nach teils emotionaler Debatte ein Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Damit wird es trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Personen erleichtert, ihren Geschlechtseintrag sowie den Vornamen zu ändern.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz

Künftig reicht eine sogenannte „Erklärung mit Eigenversicherung“ gegenüber dem Standesamt, damit ein erwachsener Mensch seinen Geschlechtseintrag und seinen Vornamen ändern kann. Die Änderung soll ohne teure und aufwändige psychiatrische Gutachten und zeitintensive gerichtliche Verfahren möglich sein.

Zwischen Anmeldung und Änderung der Einträge müssen allerdings drei Monate liegen. Eine erneute Änderung ist dann erst wieder nach einem Jahr möglich. So soll ein Missbrauch durch Kriminelle zur Identitätsverschleierung verhindert werden. Zudem lässt das Gesetz das Hausrecht von Frauenhäusern unberührt. Sie können weiterhin selbst bestimmen, wen sie aufnehmen.

Eine Offenlegung früherer Geschlechtseinträge oder Namen gegen den Willen der Betroffenen bleibt verboten. Für noch nicht Volljährige gelten weiterhin Einschränkungen bei der Geschlechterwahl. Bei Kindern müssen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Und bei Minderjährigen über 14 Jahren ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten erforderlich – diese kann jedoch ersatzweise durch das Familiengericht erfolgen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor das bisherige „Transsexuellengesetz“ von 1981 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Aus Sicht von Kritikern war der darin geregelte Weg zur Anpassung des eigenen Geschlechts für Betroffene zu langwierig und entwürdigend. Während die Regierungsparteien SPD, Grüne, FDP sowie die oppositionelle Linke das neue Selbstbestimmungsgesetz begrüßten, stieß es bei CDU/CSU sowie der AfD und dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) auf Ablehnung. Vertreterinnen und Vertreter der Unionsparteien fürchten Missbrauch und kritisieren, die Schutzfunktion des Staates gegenüber Kindern und Jugendlichen werde vernachlässigt.

Das Selbstbestimmungsgesetz tritt zwar erst Anfang November 2024 in Kraft. Doch bereits ab dem 1. August können Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, damit er umgehend mit Inkrafttreten wirksam werden kann.

Prinzipiell ist das Recht auf Selbstbestimmung und die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit hierzulande im Artikel 2, Absatz 1, des Grundgesetzes verankert. Artikel 3, Absatz 3, legt darüber hinaus fest, dass niemand „wegen seines Geschlechtes“ benachteiligt werden darf.

Zuletzt wurde immer wieder die Forderung laut, diesen Diskriminierungsschutz in Artikel 3 des Grundgesetzes sowohl um die sexuelle Identität als auch um die sexuelle Orientierung zu erweitern. In manchen Landesverfassungen ist ein solches Diskriminierungsverbot für die sexuelle Identität bereits niedergelegt, in Thüringen auch explizit für die sexuelle Orientierung.

Diskriminierung queerer Menschen in Deutschland

Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes erleben Lesben, Schwule und Bisexuelle trotz Fortschritten in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung in den vergangenen Jahrzehnten nach wie vor Diskriminierung, so etwa in der Schule oder am Arbeitsplatz. Zudem hat die Kriminalität gegen hom*o- und transsexuelle Menschen in den vergangenen Jahren stark zugenommen: Externer Link: Seit 2017 hat sich die Zahl der polizeilich erfassten Delikte in diesem Bereich mehr als verdreifacht. 2022 wurden bundesweit 1005 Straftaten begangen, die sich gegen die sexuelle Orientierung richteten. 2021 lag dieser Wert noch bei 870, im Jahr zuvor bei 570.

hom*osexualität in vielen Ländern noch immer verboten

Noch immer werden queere Menschen in vielen Ländern der Welt legal diskriminiert oder sogar verfolgt. Gleichgeschlechtlicher Sex steht einer Datenerhebung der „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA) in vielen Ländern unter Strafe. Externer Link: Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen wurden nach ILGA-Angaben zuletzt in weltweit 60 Ländern vom Gesetzgeber kriminalisiert.

In sieben Staaten sieht der Gesetzgeber laut ILGA für gleichgeschlechtlichen Sex sogar die Todesstrafe vor – zumindest unter bestimmten Umständen. Zu diesen Staaten gehört neben Brunei, Iran, Jemen, Mauretanien und Saudi-Arabien auch Uganda. Das ostafrikanische Land hat seine Gesetze im vergangenen Jahr noch einmal verschärft, nachdem zuvor bereits eine lebenslange Haftstrafe für „hom*osexuelle Handlungen“ drohte. In mehreren weiteren Ländern wie Somalia und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist die Verhängung der Todesstrafe nach Angaben der NGO zumindest theoretisch möglich. Mitunter wird die Todesstrafe auch nur in Teilen eines Landes praktiziert – so etwa im muslimischen Norden Nigerias.

In vielen Ländern drohen Haftstrafen – mitunter sehr lange: In Malaysia müssen Menschen, die wegen hom*osexueller Handlungen verurteilt werden, der ILGA-Auswertung zufolge bis zu 20 Jahre ins Gefängnis, in Myanmar bis zu zehn Jahre. Besonders weit verbreitet ist die strafrechtliche Verfolgung hom*osexueller in Afrika. Laut ILGA stehen auf diesem Kontinent 31 Staaten, die gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen kriminalisieren, nur 23 gegenüber, die dies nicht tun.

In den vergangenen knapp zweieinhalb Jahrzehnten hat sich die Zahl der Staaten, in denen hom*osexualität kriminalisiert wird, den Angaben der NGO zufolge allerdings beinahe halbiert. 1990 sei gleichgeschlechtlicher Sex noch in 113 Staaten illegal gewesen. Allein bis 2008 sank die Zahl der Länder auf 77. Auf dem amerikanischen Kontinent etwa sind gleichgeschlechtliche Sexualpraktiken laut ILGA-Statistik mit Ausnahme von Guyana und einigen Karibikinseln in allen Ländern legal.

Gleichgeschlechtliche Ehen in 35 Staaten

Zwar steigt die Zahl der Länder, die in den vergangenen Jahren die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt haben. Externer Link: Doch noch immer dürfen hom*osexuelle Paare einer ILGA-Erhebung zufolge weltweit nur in 35 Staaten heiraten. In knapp drei Dutzend Ländern gibt es andere Formen von rechtlich verbindlich eingetragenen Partnerschaften – teils mit denselben, teils mit vergleichbaren Rechten wie bei der Ehe von Mann und Frau. In Europa gab es solche Regelungen bereits fast in der Hälfte aller Staaten (Stand 2024) – auf dem afrikanischen Kontinent hingegen nur in Südafrika.

Rechtliche Selbstbestimmung des Geschlechts weltweit

Externer Link: Nach Angaben der ILGA können die Bürgerinnen und Bürger in knapp zwei Dutzend Staaten ihr Geschlecht selbst bestimmen, in 18 Ländern gibt es demnach auch offizielle nicht-binäre Geschlechtsdefinitionen. In vielen Staaten kann das Geschlecht jedoch gar nicht oder nur nach sehr aufwändigen Diagnoseverfahren geändert werden. Externer Link: In den vergangenen Jahren haben immer mehr Staaten Delikte gegen die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität als Hassverbrechen eingestuft.

Mehr zum Thema

  • Interner Link: Dossier: Geschlechtliche Vielfalt – trans*

  • Interner Link: Dossier: hom*osexualität

  • Interner Link: Anna Katharina Mangold: hom*osexualität: Stationen der Ehe für alle in Deutschland

  • Interner Link: 1994: hom*osexualität nicht mehr strafbar (Hintergrund aktuell, März 2014)

  • Interner Link: Karsten Schubert: Sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung als Menschenrecht

17. Mai: Internationaler Aktionstag gegen hom*o-, Bi-, Inter- und Transphobie (2024)
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