Nachruf auf den amerikanischen Regisseur Peter Bogdanovic (2025)

Er wurde Anfang der siebziger Jahre mit Werken wie «Paper Moon» und «What’s Up, Doc?» zu einer Leitfigur des New Hollywood. Bald aber verliess das Glück Peter Bogdanovic. Nun ist er mit 82 Jahren in Los Angeles gestorben.

Nachruf auf den amerikanischen Regisseur Peter Bogdanovic (1)

Die Welt ist seit je fasziniert von Wunderkindern – den kleinen Mathe- oder Schachgenies, Kinderstars wie Jodie Foster und Michael Jackson, den frühreifen Regisseuren wie Orson Welles, Michael Cimino – oder Peter Bogdanovich: Als Wunderkind des New Hollywood Movement, das sich um die starren Konventionen des Genrefilms im alten Studiosystem foutierte, galt dieser Anfang der siebziger Jahre.

Für die aufbegehrenden Vertreter dieser Bewegung, zu denen Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, George Lucas, Steven Spielberg, aber auch Roman Polanski und George A.Romero gehörten, war das obligate Happy End kein ehernes Gesetz mehr.

Parallelen zu Truffaut

Während seiner Jugend soll Bogdanovich jährlich über 400 Filme gesehen haben. Die Obsession des Cineasten prädestinierte ihn zum Kurator auf Zeit von Filmprogrammen des Museum of Modern Art. Legendär sind seine zuerst in Zeitschriften wie «Film Culture» und «Esquire», später auch in Buchform («Who the Devil Made it?») erschienenen Interviews mit Regiegrössen wie Fritz Lang, George Cukor und Alfred Hitchcock.

Der Werdegang vom Kritiker zum Regisseur verlief ähnlich wie derjenige des um sieben Jahre älteren François Truffaut. Und wie den Begründer der Nouvelle Vague zeichnete auch den Vertreter des New Hollywood Movement von Anbeginn eine Leichtigkeit aus, die nicht nur cineastischen Wunderkindern eignet, vielmehr dem Genie im Allgemeinen.

Die Hypothek eines jeden Wunderkinds besteht aus einem grandiosen Versprechen für die Zukunft, einem Versprechen, das auf dem gründet, was das Publikum verzaubert und was aus Ungläubigen staunende Gläubige gemacht hat. Nach einer Assistenz beim heute 95-jährigen Horror-Altmeister und Produzenten Roger Corman konnte der Regiedebütant Bogdanovich von diesem den wohl grössten Schauspieler des schrecklichen Genres übernehmen: Boris Karloff in einer seiner letzten Rollen. Der von Roger Corman produzierte Thriller «Targets» (1968) huldigte dem Darsteller zweier mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegender Horror-Ikonen, des Ungeheuers aus «Frankenstein» (1931) und von «The Mummy» (1932). Über einen Achtungserfolg kam das Regiedebüt nicht hinaus.

Das sollte sich grundlegend ändern mit den nächsten drei Filmen, ab Anfang der siebziger Jahre ging es Schlag auf Schlag. Das Coming-of-Age-Drama «The Last Picture Show» (1971), auf Orson Welles’ Rat hin in anachronistischem Schwarz-Weiss gedreht, machte Jeff Bridges und das vormalige Topmodel Cybill Shepherd zu Stars einer neuen Generation. Peter Bogdanovich, der nach Abschluss der Grundschule an der renommierten Stella Adler Theatre School in New York Schauspiel studiert hatte, reüssierte zwar nicht selber auf der Bühne oder Leinwand, doch bewies er ein aussergewöhnliches Talent als Entdecker junger Talente.

Neu wie die Gesichter in «The Last Picture Show» war auch der Einsatz zeitgenössischer Country-Songs, unter anderen mit den Interpreten Hank Williams und Tony Bennett, anstelle von herkömmlicher Filmmusik. Das Drama brachte den Durchbruch für Bogdanovich und gleichzeitig das Ende der Ehe. Er trennte sich von seiner ersten Frau, der Produzentin und Drehbuchautorin Polly Platt, nachdem er mit Shepherd eine Beziehung eingegangen war.

Hatte ihn bis anhin vor allem die Kritikergilde gefeiert, wurden seine zwei folgenden Komödien, «What’s Up, Doc?» (1972) und «Paper Moon» (1973), vom Kino- und später vom Fernsehpublikum heiss geliebt. Die männliche Hauptrolle spielte beide Male der gutaussehende Ryan O’Neal: Zunächst gab er einen schussligen Wissenschafter an der Seite einer bezaubernd schielenden und blendend aufgelegten Barbra Streisand, dann einen Trickbetrüger in der Ära der Grossen Depression, der eine Neunjährige zu seiner Komplizin macht.

Das vorwitzige Gör wurde verkörpert von seiner tatsächlichen Tochter Tatum O’Neal. «Paper Moon» geriet, obwohl wiederum in Schwarz-Weiss gedreht, zum Kassenschlager. Tatum O’Neal wurde zum Kinderstar, so gross wie Anfang der Neunziger Macaulay Culkin, und zur jüngsten Oscar-Gewinnerin überhaupt mit gerade einmal zehn Jahren. Diese Auszeichnung trug ihr im Übrigen kein Glück ein. Und auch Peter Bogdanovichs Glück hielt nicht mehr sehr lange an. Den Glanz der zwei Erfolge überschatteten alsbald zwei Misserfolge, worauf das magnetische Vater-und-Tochter-Gespann O’Neal noch einmal eingesetzt wurde für eine nostalgische Hommage an den Stummfilm: Doch «Nickelodeon» (1976) erwies sich als Flop. Es war der eine Flop zu viel.

Die private Tragödie

Bei den Dreharbeiten zu «They All Laughed» (1980) verliebte er sich in das Playmate Dorothy Stratten, zumindest das private Glück schien ihm hold. Da wurde Stratten von ihrem Ex-Partner ermordet, bevor der Film in die Kinos gelangte. Die Sensationsgeschichte wurde gleich doppelt filmisch verwertet, 1981 fürs Fernsehen («Death of a Centerfold: The Dorothy Stratten Story») und 1983 unter der Regie von Bob Fosse («Star 80») im Kino.

Dass Bogdanovic 1984 ein Buch mit dem Titel «The Killing of the Unicorn – Dorothy Stratten (1960–1980)» herausgab, hatte einen irritierenden Beigeschmack. 1988 heiratete er Dorothys jüngere Schwester Louise. An seine Triumphe konnte das einstige Hollywood-Wunderkind nie mehr anknüpfen. Laut Agenturmeldungen, die sich auf seine Tochter Antonia berufen, ist er am Donnerstagmorgen (Ortszeit) in seinem Haus in Los Angeles gestorben.

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